Die Neuentdeckung der Langeweile

Ein Sommermorgen; frisch aber sonnig und freundlich. Genau richtig, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren.

Die Gedanken sind frei, fließen mit dem Fahrtwind um die Wette und suchen sich dabei Themennischen, die im häufig hektischen Multitasking-Alltag sonst keinen Platz finden.

Ich denke über alltägliche und weniger präsente Themen nach, diskutiere diese mit mir selbst und frage mich wiederholt, was ich mit dieser verlorenen Zeit anfangen soll.

‚Aber halt!‘ ruft eine Stimme unter vielen, ‚was heißt denn hier verloren?! Es sind wertvolle Momente wie diese, die auf die Geschichte der Menschheit entscheidende Einflüsse hatten.‘ Stimmt, sage ich mir. Warum also nicht die Gedanken teilen, die sich ihren Platz in unbeobachteten Momenten wie der Fahrradtour zur Arbeit suchen. Hinzukommt, dass Mütter mit dem ersten Kind, die in Deutschland eine Elternzeit in Anspruch nehmen, viel Zeit für Gedanken haben. Diese suchen sich einfach ihren Weg- beim Abspülen, Stillen, Fläschchen geben und in den ersten Monaten nach der Geburt vor allem bei nahezu endlos langen Spaziergängen. Letztere haben Dichter und Denker seit Anbeginn der Kultur inspiriert. In der heutigen Zeit erscheinen ausgedehnte, tägliche Ausflüge zu Fuß jedoch vor allem als eins: Zeitverschwendung.

Auch einer modernen Mama drängt sich dieses Gefühl auf: Was könnte ich jetzt alles erledigen (Haushalt, mit Freunden Kaffee trinken, ein Buch schreiben…) anstatt ziellos durch die Gegend zu laufen und auf ein schlafendes Baby zu hoffen?

Indem ich diese Gedanken, die in den unmöglichsten Momenten des (Mama) Alltags ihr Schlupfloch suchen, in einem Blog mit euch teile, gehöre ich ebenfalls zu den von mir kritisch beäugten Optimierern. Genau das ist das eigentlich so alltägliche Dilemma: Zwischen zwei Seiten gefangen…

Ich freue mich auf einen ungezwungenen philosophischen Austausch über das Dilemma des (Mama) Alltags!

vor 7 Jahren

4 Kommentare

    1. Freue mich auf ein bisschen mehr männliche Sicht der Dinge ;-). Hier sei schonmal der Hinweis gegeben, dass das Thema ‚Geschlechterrollen‘ auch seinen Platz in diesem Blog bekommen soll.

  1. Es handelt sich bei diesem philosophischen Austausch, dem Anschein nach um interessanten Feinstoff (um es mit der Wortkreation eines berühmten Fensterputzers zu benennen). Ich bin gespannt und lausche gerne…

    Was den Titel und die Langeweile anbelangt, so gibt uns unser Oberpessimist, Herr Philosoph **Nietzsche**, ungewohnte Hoffnung wenn er meint: „Für den Denker und für alle erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme „Windstille“ der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht.“
    Schöne und wahre Worte, so finde ich.

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